Kamerun erneut auf Platz Eins der vergessenen Krisen

Süddeutsche Zeitung, Internationale Brennpunkte

Millionen Menschen leiden weltweit von Politik und Medien kaum beachtet unter Hunger, Krieg und Verfolgung. Der norwegische Flüchtlingsrat stellt die zehn schlimmsten dieser Krisen vor.

Der Norwegischen Flüchtlingsrat (NRC) führt im zweiten Jahr Kamerun an der Spitze seiner Liste der vergessenen Krisen. Der westafrikanische Staat sieht sich aktuell einer dreifachen Bedrohung durch eine Konfliktverschärfung mit der Terrorgruppe Boko Haram im Norden, Gewaltausbrüche im englischsprachigen Westen und eine Flüchtlingskrise wegen zentralafrikanischer Migranten ausgesetzt, wie die Menschenrechtsorganisation am Dienstag in Oslo erklärte.

Nach NRC-Ranking sind neun der zehn aufgeführten vernachlässigten Krisen inzwischen in Afrika zu verorten. So folgten auf Kamerun der Kongo und Burkina Faso, wobei Letzteres zum ersten Mal überhaupt in der Liste erschienen sei. Venezuela auf Platz Fünf ist das einzige aufgeführte Land, das sich nicht auf dem afrikanischen Kontinent befindet. Die Liste werde komplettiert durch Burundi, Mali, den Südsudan, Nigeria, die Zentralafrikanische Republik und Niger.

Dass der afrikanische Kontinent und insbesondere die Sahelzone derart stark vertreten ist, liegt laut NRC vor allem an politischem und diplomatischem Unvermögen, schwachen Hilfsprojekten und geringer medialer Aufmerksamkeit. Obwohl sich die afrikanischen Staaten “einem Sturm von Bedrohungen” entgegensehen, fielen ihre Notrufe “auf taube Ohren”, beklagte NRC-Generalsekretär Jan Egeland.

Der NRC erwartet, dass die humanitäre Krise wegen der Corona-Pandemie im laufenden Jahr noch zunehmen wird. Die Ausbreitung des Virus werde die ohnehin schwache afrikanische Wirtschaft noch weiter schwächen. “Wir brauchen die Solidarität mit diesen konfliktgeplagten Gemeinschaften, jetzt mehr denn je”, betonte Egeland.

Der NRC veröffentlicht jährlich eine Liste der am meisten vernachlässigten Krisen weltweit. Diese basiert den Angaben nach auf drei Kriterien: dem mangelnden politischen Willen zur Veränderung lokal und international, dem mangelnden medialen Interesse an der Situation und der mangelnden internationalen Unterstützung.

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